Elisabeth
Wormser Zeitung

WORMSER Zeitung; Freitag, 12. Dezember 1980

Der gar nicht hübsche Herr Gerichtsrat

 

Ein Weihnachtsgeschenk im Heylshof: Am Sonntag Märchen zum Sehen und Hören

  

WER MÄRCHEN LIEBT, die nie nur für Kinder, sondern oft auch für Erwachsene bestimmt waren, kommt zur Zeit im Kunsthaus Heylshof auf seine Kosten. Die Ausstellung von Märchenbatiken der Künstlerin Elisabeth Kaiser-Arentz erlebt am Sonntag, dem 14. um 11 Uhr einen weiteren Höhepunkt durch eine märchenhaft literarisch-musikalische Matinee.                 Bild: Ochßner

(B. - „Der Obergerichtsrat Drosselmeier war gar kein hübscher Mann, nur klein und mager, hatte viele Runzeln im Gesicht, statt des rechten Auges ein großes schwarzes Pflaster und auch gar keine Haare, weshalb er eine sehr schöne weiße Perücke trug. Die war aber von Glas und ein künstliches Stück Arbeit. Überhaupt war der Pate selbst auch ein sehr künstlicher Mann, der sich sogar auf Uhren verstand und selbst welche machen konnte."

Wenn daher eine von den schönen Uhren in Stahlbaums Haus krank war und nicht singen konnte, dann kam Pate Drosselmeier, nahm die Glasperücke ab, zog sein gelbes Röcklein aus, band eine blaue Schürze um und stach mit spitzigen Instrumenten in die Uhren hinein, sodaß es der kleinen Marie ordentlich wehe tat. Aber es verursachte der Uhr gar keinen Schaden sondern sie wurde vielmehr wieder lebendig, und fing gleich an recht lustig zu schnurren, zu schlagen und zu singen, worüber denn alle große Freude hatte".

So steht es in dem Märchen von E.T. A. Hoffmann: „Nußknacker und Mäusekönig" im Kapitel „Pate Drosselmeier beschert die Kinder". Was er ihnen beschert und wie das Spielzeug in der Weihnachtsnacht zum Leben erwacht, das kennen die meisten Kinder und Erwachsenen aus dem berühmten Nußknacker-Ballett von Peter Tschaikowski. Das poetische Märchen, in dem der große Romantiker so trefflich den Kinderton traf, wird heutzutage seltener gelesen oder auch einmal vorgelesen. Umso verdienstvoller, daß Elisabeth Kaiser-Arentz, eine Batik-Künstlerin, die zur Zeit im Wormser Kunsthaus Heylshof ausstellt, unter vielen anderen, viel zu wenig bekannten auch diesem reizvollen romantischen Märchen Form und Farbe gibt. Genau die Szene von den Uhren, in die Pate Drosselmeier mit spitzigen Instrumenten sticht, hat sie herausgegriffen. Die Runzeln, das zugeklebte Brillenglas, der Altmännerkopf ohne Perücke machen den Paten charakteristisch. Und wie wehe der Marie und ihrem Bruder die ,,Operation" der Uhren tut, spürt man auf Anhieb.

Vor drei Jahren erst hat die Künstlerin in dieser uralten malaischen Wachsdrucktechnik eine neue Ausdrucksmöglichkeit entdeckt, die ihr gerade für die märchenhafte Thematik geeignet vorkam. Gewiß hält sie sich dabei nicht allein an die traditionelle Akribie des Batikens, wie sie im fernen Osten bis zur höchsten Vollendung  beherrscht und zunehmend auch von Künstlern der Bundesrepublik einfühlsam nachempfunden. wird. Sie ordnet Aussage und Ausdruck dem technischen Medium über und gelangt so zu einer Eigenart und Eigenständigkeit, die den Reiz einer phantastisch-symbolhaften Situation auskostet.

Egal, ob der Betrachter mit dem Märchentext vertraut ist und freudig wiederentdeckt, was er sich vielleicht vor langer Zeit mit den Farben seiner eigenen kindlichen Vorstellungswelt ausmalte, oder ob er neugierig gemacht wird durch die überquellende Fülle einzelner Motive eines Bildes, mal wieder bei Andersen zu blättern, da wo er am unbekanntesten und am liebenswertesten versponnen wirkt, bei Eichendorff nachzuspüren, wo sich die Grenzen ziehen lassen zwischen Tag und Traum, Wirklichkeit und Wünschen, wie sie nur in Märchen wahr werden, oder die Fremdartigkeit einer Trollgeschichte aus dem hohen Norden zu erfassen, bevölkert von jenen seltsamen Nachtgestalten, erfunden aus der Sehnsucht nach Licht, das dort im Winter so lange versagt bleibt.

Die Heylshof-Ausstellung spricht das Gefühl an, enthält sich des Ehrgeizes eines allzu elitären Anspruches, will bezaubern, darf gefallen. Leistet sogar im drastischen Ausdruck einen Beitrag zur Bewältigung des Bedrohlichen, der Lebensängste, gegen die so viele Märchen erst erfunden wurden. Denn: ein zersprungenes Rumpelstilzchen raubt keine Königskinder mehr. Mit List entgeht das tapfere Schneiderlein allen Gefahren, die nur durch Gewalt zu beseitigen scheinen. Märchen wird eine Matinee im Kunsthaus Heylshof am Sonntag, dem 14. Dezember, um 11 Uhr, nicht nur als Batikbilder, sondern auch als musikalisch umrahmte Lesungen bieten. Ein kleines   Weihnachtsgeschenk des Kunsthauses für große und kleine Märchenfreunde.  

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